Bald wieder zusammen

Unsere Kinderreporterin Rosanna fragt Prof. Dr. Marylyn Addo, Leiterin der Sektion Infektiologie in der I. Medizinischen Klinik und Poliklinik im UKE, wie Großeltern von der Coronaimpfung überzeugt werden können und wann alle endlich wieder enger zusammenrücken dürfen.

Rosanna: Wie sind Sie darauf gekommen, Infektiologin zu werden?
Prof. Addo: Die Entscheidung habe ich auf einer HIV-Krankenhausstation getroffen. Das Virus, das AIDS verursacht, war damals ähnlich neu wie das Corona-Virus. Ich fand es spannend, dass mehr dahintersteckte, als nur Medikamente zu verschreiben. Die Ausbildung zur Fachärztin für Infektiologie habe ich dann in Amerika gemacht.

Haben Sie schon vor der Pandemie an Coronaviren geforscht?
Coronaviren gibt es seit über 50 Jahren, jede zehnte Erkältung vor der Pandemie haben harmlose Coronaviren verursacht. Gegen eine der weniger harmlosen Vorgänger-Varianten, das Middle East Respiratory Syndrome Corona-Virus (MERS), haben wir schon seit 2014 an einem Impfstoff gearbeitet.

Was ist das Schwierigste bei der Impfstoffentwicklung, was macht den Stoff sicher, auch gegen Mutationen?
Der lange Entwicklungsprozess ist herausfordernd – und deshalb sicher. Jeder Impfstoff muss viele klinische Studien bestehen. Er muss Laborversuche durchlaufen, darf keine unerwünschten Nebenwirkungen bei Menschen auslösen. Ein Gesetz regelt strenge Sicherheits- und Qualitätskriterien, selbst nach der Zulassung müssen Impfstoffe Bedingungen erfüllen. Inzwischen können wir manche Corona-Impfstoffe innerhalb von sechs Wochen herstellen – und nur Teile ändern, um sie auf Mutationen anzupassen.

Wie wird entschieden, wer zuerst geimpft wird?
Das ist eine ganz emotionale Frage, die viele Gemüter erregt. In Deutschland empfiehlt und priorisiert die Ständige Impfkommission (STIKO) vier Gruppen: Zur ersten gehören Menschen, die mit COVID-19-Patient:innen arbeiten, oder Ältere, die ein höheres Sterberisiko oder eines für eine schwere Erkrankung tragen. Die Politik beruft sich mit ihrer Impfverordnung auf die STIKO.

Wie lange dauert es, bis wir unsere Großeltern wieder regelmäßiger treffen dürfen?
Leider kann ich nicht in die magische Glaskugel schauen. Geimpfte Großeltern können sich, wenn andere nicht geimpft sind, zwar noch mit COVID-19 infizieren – aber nicht mehr so schwer erkranken. Im Laufe der nächsten Monate werden immer mehr Menschen geimpft werden. Das gibt Hoffnung, dass wir bald Schritte auf unsere Familien zugehen können. Und wir hoffen auf Entspannung im Sommer, wenngleich wir die Virusvarianten im Blick behalten müssen, die uns aktuell Sorgen bereiten.

Kann man sich mehrfach anstecken, und haben Sie Angst davor?
Zweifache Ansteckungen kommen gelegentlich vor, dreifache sind aber sehr selten. Ich habe keine Angst: Bei meinen Visiten auf den COVID-19-Stationen trage ich Schutzkleidung mit Brille, Mund- und Haarschutz, Handschuhen, Kittel und so weiter – ansonsten halte ich mich an die AHA+L-Regeln.

Sehen Sie als Wissenschaftlerin etwas Positives am Corona-Virus?
Das ist schwierig zu sagen. Viele Menschen haben Angehörige verloren, Einkünfte eingebüßt oder sind selbst erkrankt gewesen – sie sehen natürlich nichts Positives daran. Aber: Es gibt seit Beginn der Schutzmaßnahmen weniger Grippefälle und andere Infektionserkrankungen, einen Durchbruch bei der Impfstoffentwicklung, Menschen, die zusammenhalten und diszipliniert sind, Homeoffice und Digitalisierung – wenngleich wir hierfür einen hohen Preis zahlen müssen.

Denken Sie, dass das Corona-Virus aussterben kann?
Das Pockenvirus konnten wir gut ausrotten, da es keinen anderen Wirt als den Menschen gab. Weil auch Tiere wie zum Beispiel Fledermäuse oder Kamele sich mit dem Corona-Virus infizieren und als Reservoir dienen, wird es sehr wahrscheinlich nicht verschwinden. Aber wir werden von Jahr zu Jahr besser mit dem Corona-Virus umgehen können. Weltweite Impfungen werden das Infektionsgeschehen verringern – ebenso die Mutationen.

Wie kann man Menschen, die wie meine Oma noch unsicher sind, vom Impfen überzeugen?
Mittlerweile haben sich schon Millionen Menschen geimpft, von deren Daten und Erfahrungen wir profitieren. Auf den offiziellen Internetseiten des Paul-Ehrlich-Instituts oder des Robert-Koch-Instituts gibt es umfängliches Informationsmaterial, die STIKO bietet eine aufschlussreiche App an. Jede Impfung ist eine Risiko-Nutzen-Abwägung – das Risiko älterer Menschen für einen schweren Krankheitsverlaufs ist gegenüber den Risiken der Impfung ungleich höher. Schon in der Vergangenheit ist unsere Lebensqualität oft durch das Aufkommen von Impfstoffen positiv beeinflusst worden.

Wann werden auch Kinder geimpft?
Da Impfstoffe immer erst an Erwachsenen geprüft werden müssen, bevor auch Studien mit Kindern durchgeführt werden dürfen, gibt es bisher nur drei Entwickler, die nach und nach auch Jüngere in ihre Studien einbeziehen. Ich denke nicht, dass wir vor Ende 2021 einen ersten Impfstoff für Kinder haben werden. Und noch fraglich ist, ob dieser dann nicht nur vor der Erkrankung, sondern auch vor einer Infektion, also der Weitergabe des Virus, schützen kann.

Kinderreporterin Susanna, 13 Jahre alt
Kinderreporterin Rosanna (13)

Rosanna (13) besucht die 7. Klasse des Gymnasiums Altona

Sie spielt Querflöte, singt im Chor und ist begeisterte Fußballerin. Über die Medien bleibt sie zu aktuellen Themen auf dem Laufenden. So kannte sie auch Prof. Addo bereits aus dem TV. Rosanna selbst ist schon gegen viele Erkrankungen geimpft worden.

Prof. Dr. Marylyn Addo
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Im Interview mit der Kinderreporterin: Prof. Dr. Marylyn Addo

Prof. Dr. Marylyn Addo

ist Leiterin der Sektion Infektiologie in der
I. Medizinischen Klinik und Poliklinik im
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE).

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Aufgezeichnet von: Kathrin Thomsen
Fotos: Axel Kirchhof
Illustration: Alexandra Langenbeck