Kinderreporterin Emma (12) besucht die 6. Klasse des Deutsch-Französischen Gymnasiums in Lokstedt.
Kinderreporterin Emma (12)
besucht die 6. Klasse des Gymnasiums in Lokstedt

Forschung mit der Maus

Dass gerade die Liebe zum Tier Mitarbeitende der Forschungstierhaltung und deren Gegner:innen verbindet, hätte unsere Kinderreporterin nicht gedacht. Eindrucksvoll vermittelt Dr. Petra Kirsch, die Leiterin der UKE-Forschungstierhaltung, im Gespräch mit Pescetarierin Emma (isst Fisch, kein Fleisch), wie modern diese Wissenschaft heutzutage ein- und aufgestellt ist.

Dr. Petra Kirsch forschte als Mikrobiologin zuvor kleinste Organismen.
Dr. Petra Kirsch
erforschte als Mikrobiologin zuvor kleinste Organismen

Emma:
Sie tragen einen Doktortitel – in Medizin?

Dr. Kirsch: Ja, aber im Gegensatz zu den meisten im UKE in Tiermedizin. Ich bin eine von sieben Tierärzt:innen in unserem Team. Hinzu kommen ein studierter Biologe und 45 Tierpfleger:innen.

Was sind Ihre Aufgaben?

Kurz gesagt sorgen wir dafür, dass es den Tieren bei uns gut geht. Denn: Wer Medikamente entwickelt, muss diese laut Gesetz an Tieren erproben. Hierfür stellen unsere UKE-Wissenschaftler:innen Anträge. Wir schauen daraufhin, ob der Grund einen Tierversuch rechtfertigt. Oder auch, wie viele Tiere dafür nötig sind. Und ob der Versuch überhaupt zu einem aussagekräftigen Ergebnis führt. Ist ein Versuch unerlässlich, begleiten und kontrollieren wir diesen, sorgen etwa dafür, dass die Tiere so wenig Schmerzen wie möglich erleiden.

Welche Tiere werden bei Ihnen unter welchen Bedingungen gehalten?

Wir haben zu 99 Prozent Mäuse, aber auch Ratten und sehr wenige Meerschweinchen, Kaninchen, Frettchen, Schafe und Schweine bei uns – bis zu 40 000 Tiere insgesamt können wir im UKE tierartgerecht halten. Im Wesentlichen befinden sich unsere Tiere in Ställen und Käfigen oder in Bodenhaltung.

Die meisten Tiere der Forschungstierhaltung versterben – wie gehen Sie damit um?

Darüber würde ich gern offener sprechen. Ja, die meisten Versuchstiere versterben – in Deutschland sind das rund zweieinhalb Millionen Tiere jährlich. Zum Vergleich: In Schlachtbetrieben versterben jährlich rund 51 Millionen Schweine, 650 Millionen Hühner. Der Tod der Tiere geht unseren Mitarbeitenden unterschiedlich nahe… Es kann durchaus vorkommen, dass Tierpfleger:innen und Wissenschaftler:innen eine gewisse emotionale Verbindung zum Tier während der Dauer des Tierversuchs aufbauen und sie der Tod des Tieres am Ende des Versuchs nicht unberührt lässt. Das zählt zu einer Art Erschöpfungssyndrom, das selten thematisiert wird. Bei der Verwendung von Tieren wird vorrangig über Tierschutz gesprochen, aber zu wenig darüber, dass die Durchführung von Tierversuchen auch mit einer emotionalen Belastung für Mitarbeitende verbunden sein kann.

Welche Bedeutung hat die Forschungstierhaltung für die Medizin?

Ohne die Forschungstierhaltung gäbe es keinen medizinischen Fortschritt. Das kann man auch an den Nobelpreisen für Medizin ablesen: Sei es bei der Entwicklung eines Heilmittels gegen Diphterie Anfang des 20. Jahrhunderts oder von Wirkstoffen gegen Malaria 2015. Deshalb sollte die Arbeit der Tierpfleger:innen stärker wertgeschätzt werden – sind sie doch sozusagen der verlängerte Arm der Wissenschaft.

Wie hat sich die Forschungstierhaltung allgemein über die Jahre entwickelt?

Die Forschungstierhaltung hat eine enorme Entwicklung hinter sich, wenn man bedenkt, dass in den 70er Jahren noch Katzen und Hunde für Versuche herangezogen wurden – oder Tiere unmittelbar in klinischen Bereichen gehalten wurden. Dies ist natürlich heute vor dem Hintergrund weit verbesserter Standards verboten. Ende der 80er Jahre wurden Rechtsgrundlagen geschaffen, um tierschutzkonform Tiere für wissenschaftliche Zwecke halten und verwenden zu dürfen. Tierversuche mussten ab dann genehmigt werden. Deutschland hat die Funktion Tierschutzbeauftragte eingerichtet. Seit den 90er Jahren hat sich die Maus zur wichtigsten Versuchstierart entwickelt, die heute aus der Forschung nicht mehr wegzudenken ist.

Die Forschungstierhaltung wird derzeit neugebaut – was ändert sich im Frühjahr 2023?

Wir werden in ein modernes Gebäude mit zeitgemäßer Klimatechnik ziehen. Das bedeutet vor allem bessere Arbeitsbedingungen für unsere Mitarbeitenden: Allergene können noch stärker aus der Luft gefiltert werden. Und zwei Roboter übernehmen künftig die Reinigung unserer Käfige.

Wie gehen Sie mit Kritik gegen die Forschungstierhaltung um?

Tatsächlich gäbe es die allermeisten unserer Qualitätsstandards gar nicht, wenn es die Gegner:innen von Tierversuchen mit ihren Forderungen nicht gegeben hätte. Uns verbindet die Liebe zu Tieren. Auch wir entscheiden zum Wohl der Tiere und sind gesetzlich dazu angehalten, Wissenschaftler:innen bestmöglich zu beraten.

Text: Kathrin Thomsen; Fotos: Axel Kirchhof

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